Flucht ins Eis (2000)
Essay
- Auszüge
Kapitel
1: Am Ziel
"Da stehen wir nun. Ein kleines Grüppchen von acht Personen
in dieser unendlichen Weite. Vor Erschöpfung sind wir unfähig,
uns zu freuen. Wir starren einander an, murmeln ein wenig verlegen und
hilflos belanglose Sätze und wissen nicht, wie wir uns verhalten
sollen." (Arved Fuchs am Nordpol, 1989)
Da steht er nun, der Goretex-Tor, und ist so klug als wie zuvor. Man
muß die Ehrlichkeit bewundern, mit der sich Fuchs in seinem Buch
"Von Pol zu Pol" als deliriöser Zombie outet. Er setzt
noch eins drauf: "Mir erscheint alles wie ein Traum. Gut, wir sind
am Nordpol. Das habe ich verstanden. Aber ich verspüre einen inneren
Drang weiterzulaufen."
Große Gedanken werden an den Erdachsen gemeinhin
nicht gedacht. (...) Was aber treibt den homo sapiens sapiens heute in eine
Gegend, wo man nicht einatmen kann, ohne Erfrierungen der Lunge befürchten
zu müssen? Und warum sind die Daheimgebliebenen von dem Schneetreiben,
das sie entweder ehrfürchtig bewundern oder entschieden ablehnen,
immerhin so fasziniert, daß sie jede Menge Zeitungsartikel und
Bücher darüber lesen, Multivisionsshows, TV-Sendungen und
Kinofilme ansehen? Was ist dran an der Flucht ins Eis? Und ist es wirklich
eine Flucht, die Abenteurer, Schriftsteller und ein breites Publikum
in der Realität oder in der Phantasie betreiben?
"Flucht ins Eis" ist nicht nur eine kritische Bestandsaufnahme
der jüngeren Beiträge zur Hochgebirgs- und Polarliteratur,
sondern auch eine geistvolle und ironische Auseinandersetzung mit unserer
Alltagskultur, mit Zivilisationsmüdigkeit und dem modischen Fitness-Extremismus.
(Bayerischer Rundfunk)
"Auf Verständnis können Polarhelden wie Arved Fuchs bei Thomas
Kastura nicht rechnen, schon gar nicht auf Mitleid. In seinem bemerkenswerten
Essay deckt der bekennende Leser von Reise- und Abenteuerbüchern
auf höchst anregende Weise wieder einmal auf, das es an den Extremen
dieser Welt, auf den Achttausendern und an den Polen, eigentlich nichts
zu entdecken gibt. Noch Nietzsche hatte gehofft, durch kühles Denken
werde so mancher Irrtum im Eis auf ewig begraben. Tatsächlich bleiben
dort Müll und Leichen frisch. In den Todeszonen fällt Kopfarbeit
schwer. Deshalb, so Kastura, taugten auch die "Erkenntnisse",
die von dort zurückgebracht würden, wenig. Sie seien Ausdruck
jener Hybris, die aus körperlicher eine geistige Überlegenheit
ableite. Mehr aber auch nicht. Als kluger Essayist und Polemiker möchte
Kastura von den Polen intellektuelle Geschenke mitgebracht bekommen,
von denen er (selbstverständlich) weiß, dass es sie nicht
gibt. Das macht die Lektüre dieses Büchleins zum klirrenden
Vergnügen." (Die Zeit)
"Draußen
eisig, drinnen warm - ist es der Temperaturkontrast, der die Lektüre
der Eisliteratur so reizvoll macht? Steigert das Lesen von zivilisations-
und wegloser weißer Weite unsere Heimeligkeitsgefühle? Sehnen
wir uns nach der extremen Herausforderung, der wir doch nur auf Buchseiten
gewachsen sind? Antwortversuche und Erklärungen für die vielfältige
Eis(buch)lust gibt Thomas Kasturas Essayband "Flucht ins Eis",
dessen größter Reiz darin besteht, wiederum zu neuen Gedanken,
neuen Fragen, neuer Frostlektüre anzuregen." (Süddeutsche Zeitung)
Thomas
Kastura: Flucht ins Eis.
Warum wir ans kalte Ende der Welt wollen.
Berlin: Aufbau Verlag 2000. 127 Seiten. 12 €
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