Hochoffzielle Kulturdatenträger natürlich
wie Bücher, Kunstdrucke und CDs, oder Ausrüstungsgegenstände
für das gesellschaftliche Leben wie Hüte und Seidentücher,
Krawatten, Schals und Schmuck aller Art. Auch mit Flüssigkeiten
für alle Anwendungen liegt man selten falsch. Heikel wird es bei
den diversen elektronischen Apparaten, deren Nutzen sich auch beim zweiten
Blick in die Gebrauchsanweisung nicht zwingend erschließt. Sportgeräte
zur motorischen Abreaktion schließlich beinhalten den Hintergedanken,
daß sich der Beschenkte doch mindestens ein Bein brechen möge,
und gelten deshalb als taktlos.
Geschenke, das zeigt schon die Verpackung, dienen seit
der Kindheit der Beschäftigungstherapie. Und da Eltern ihren Kindern
alles nachmachen, hat sich daran wenig geändert. Überraschungen
sind dabei so selten wie Schnee am Heiligen Abend. Deswegen sind Geschenke
meistens stinklangweilig und längst zu abstrakten Versöhnungs-
und Beschwichtigungsversuchen herabgesunken, ohne die man sich gar nicht
mehr wahrgenommen wüßte vom Rest der Welt. Daß es dafür
erst Weihnachten braucht, deprimiert doppelt.
Viel sympathischer sind Geschenke außer der Reihe
und in großem Stil. Dafür muß man aber in der Geschichte
weit zurückgehen, denn im 20. Jahrhundert ist es endgültig
vorbei mit großzügigen Gaben. Zuletzt erhielt Henry Adams
etwas Vergleichbares, der arme Amerikaner aus Mark
Twain
s Erzählung „Die
Eine-Million-Pfund-Note“
. Damit ließ sich im Jahre 1893
auf Umwegen noch das Glück machen. Aber Mark Twain selber glaubte
sieben Jahre später nicht mehr daran. Sein „Mann, der Hadleyburg
korrumpierte“ richtet mit Bestechungsgeschenken eine ganze Stadt
zugrunde.
Von Bestechung, diesem unschönen Wort, kann man
im Mittelalter noch nicht sprechen. Hohe Politik wurde damals zumindest
dem Namen nach mit Geschenken gemacht. Bestes Beispiel sind die Karolinger,
die noch die Spendierhosen anhatten: Sie statteten ihre Gefolgsleute
solange mit Land aus, bis alles futsch war und das Reich unterging.
Berühmte Nutznießer aus dieser Zeit sind die Päpste,
die durch die Pippinsche
Schenkung
zum Kirchenstaat kamen. Undankbar wie sie waren, beriefen
sie sich bei dieser Gelegenheit auf die Konstantinische
Schenkung
, die zwar so ähnlich klang wie die Pippinsche, aber
frei erfunden war nach dem Motto: Nett von euch Franken, uns den Kirchenstaat
zu schenken, aber er gehört uns eh schon seit ein paar hundert
Jahren. Mehrfach mußte die Urkunde der „Donatio
Constantini
“ als Fälschung entlarvt werden, bis die Kirche
vor hundert Jahren ihren kleinen Irrtum zugab.
Wer mit Päpsten Umgang hat, schenkt gerne. Innozenz
III.
war ein besonders rühriger Inhaber des heiligen Stuhls
und mußte überall in Europa seine Finger drinhaben. Um seinen
Bannspruch zu heben und eine drohende Invasion zu vermeiden, schenkte
John Ohneland
dem Papst einfach ganz England - zumindest auf dem Papier bzw. Pergament
- und machte Innozenz zu seinem Lehnsherrn. Die englischen Barone ließen
sich davon nicht beeindrucken. Für die Verbriefung ihrer Rechte
erzwangen sie vom glücklosen John die Magna Charta: Wer zu verschwenderisch
schenkt, macht sich verdächtig und zahlt am Ende drauf.
Ob Heinrich der Löwe seine Entmachtung schon hinter
sich hatte, als er der Kirche das heute wohl kostbarste Geschenk in
der Geschichte machte, ist fraglich. Jedenfalls widmete er dem Braunschweiger
Dom sein berühmtes Evangeliar
,
im Jahre 1173 oder 1188, darüber ist man sich nicht einig. Das
Widmungsbild des „goldglänzenden Buches“ stellt ihn
so dar, wie er sich gern gesehen hätte: als Kaiser, und nicht als
geächteter Herzog. Dem eigenen Ruhme diente dieses Geschenk, das
der Nachwelt teuer zu stehen kam: Das Evangeliar mußte vom Auktionshaus
Sotheby’s für 32 Millionen Mark zurückgekauft werden.
Geschenke sind eben eine zweischneidige Angelegenheit
und richten sich oft gegen die Beschenkten. Das bekamen schon die Trojaner
zu spüren. Seit Laokoons berühmter Warnung „Was das
auch ist, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen“
sind hölzerne Pferde unbeliebt, es sei denn, die Kinder können
darauf schaukeln. Auch bei Hemden ist Vorsicht geboten. Untreuen Ehemännern
ergeht es wie Herakles, der von seiner Frau Deianeira
das Nessoshemd verehrt bekam. Was als Liebeszauber gedacht war, um die
Gunst des Halbgotts zurückzuerlangen, erwies sich als späte
Rache eines Zentauren. Das Ende ist, wie in der Antike üblich,
ziemlich drastisch: Herakles riß sich das vergiftete Gewand mit
der Haut vom Leibe, und Deianeira erhängte sich.
Der Klassiker unter den Geschenken ist freilich nicht
das griechische Umhängetuch, sondern der Ring. Allerdings sollte
man sich vorher informieren, ob Flüche darauf liegen. „Wer
ihn hat, den sehre die Sorge. Wer ihn nicht hat, den nage der Neid“.
So verfügte es Alberich, als die Götter ihm das schmucke Stück
geraubt hatten. Bekanntermaßen richtet der Ring
des Nibelungen
tatsächlich jede Menge Schaden an. Nur als Siegfried
ihn Brunhilde schenkte, verlor er zeitweise seine unheilstiftende Macht.
Schenken macht froh, könnte man in diesem Fall sagen und ergänzen,
daß die Moral von der Geschicht’ typisch für Richard
Wagners 19. Jahrhundert war. Damals begann die uneigennützige Gabe,
an die keine Erwartungen geknüpft sind, als Zeichen von Geistesschwäche
zu gelten. Denn das einzige Geschenk, das der Merkantilismus kennt,
ist die steuerlich absetzbare Spende.
Hans
im Glück
sah das schon voraus. Zunächst beugte er sich
noch der vorindustriellen Tauschwirtschaft, wie sie auch nach Weihnachten
wieder einsetzen wird. Doch nachdem ihm alles abhanden gekommen ist,
was er sich für seinen Klumpen Gold aufschwatzen ließ, ruft
er aus: „So glücklich wie ich gibt es keinen Menschen unter
der Sonne.“
© Thomas Kastura