In
deren Verlauf lernen alle Beteiligten eine Menge hinzu, sie reifen zu
modernen Persönlichkeiten. Modern deshalb, weil Karen Duve ihre
Figuren Ernst nimmt und sie mit realistischen Motiven und Verhaltensweisen
ausstattet. Die drei Hauptakteure müssen falschen Stolz, Selbstzweifel
und Minderwertigkeitsgefühle überwinden. Darüber hinaus
gilt es, einem archaischen Ehrbegriff und der Geschlechtertrennung ein
Schnippchen zu schlagen. Dieses Märchen ist sicher "Fantasy",
vor allem aber ein Ritterroman mit einer in die Gegenwart versetzten
Bildungsthematik. Ein pubertierender Drache spielt auch eine Rolle,
ebenso ein selbstsüchtiger Zauberer und ein Zwerg mit Popstar-Allüren.
Karen Duve geht mit den gängigen Genreelementen
heiter-ironisch, doch niemals respektlos um. Auch die Sprache wechselt
zwischen einem hohen Aventiuren-Ton und gezielten Schnoddrigkeiten –
"Lisvana vom Nordland, war das nicht die mit der popeligen Mitgift?".
Eine ähnliche Mischung kennt man aus den "Shrek"-Filmen
und anderen zeitgenössischen Märchenadaptionen. In Deutschland
tat man sich lange schwer, dramatische Erzählstoffe mit der Kunst
der Anspielung zu verbinden. Als würde das ironische Spiel mit
Rollenmodellen, Handlungsmustern und Publikumserwartungen eine Geschichte
herabmindern und unrettbar ins Lächerliche ziehen.
Karen Duve gelingt diese Gratwanderung ganz vorzüglich,
ihre erkennbare Freude am Fabulieren überträgt sich auf den
Leser. Die Autorin von "Regenroman" und "Dies ist kein
Liebeslied" versteht ihren Ausflug ins Reich der Märchen als
Fluchtversuch vor ihrem sonst eher fatalistisch eingefärbten Werk.
Virginia Woolf sagte Ähnliches über den Roman "Orlando",
der dann ihr größter Erfolg wurde. Und selbst an ihrem berühmtesten
Vorgänger kann sich Karen Duve messen: So stieg "Der sinnreiche
Junker Don Quijote de la Mancha", jene Erzparodie des Ritterromans,
zum Paradigma seines Genres auf. Auch Cervantes hatte seinen Spaß
an der komischen Verzerrung der Verhältnisse. Trotzdem verlor der
Ritter von der traurigen Gestalt nie seine Ideale aus dem Blick. "Die
entführte Prinzessin" handelt von der wahren Liebe. Und die
muss lange leiden, bis Erfüllung naht.
©
Thomas Kastura
Die Rezension erschien unter dem Titel "Die
Bettelprinzessin" im Rheinischen Merkur vom 17.3.2005
Karen Duve: Die entführte Prinzessin. Von
Drachen, Liebe und anderen Ungeheuern.
Frankfurt a. M.: Eichborn Berlin 2005. 396 Seiten. 24,90 €
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