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Tina Uebel: Ich bin Duke

Was tun, wenn es einem im Alter zwischen 20 und 30 langweilig wird? Am besten ein Buch schreiben, wie sich das so anfühlt. Das warf man zumindest der Popliteratur vor und trug sie nach dem 11. September erstmal zu Grabe: auf dass wieder Realismus einkehre in die Debüts junger deutscher Autoren. Das wahre Leben liege auf der Straße, so die volkspädagogische Suggestion. Man müsse sich nur ein wenig anstrengen, um es zwischen die Finger zu kriegen.

Allein, wohin mit der Tristesse, wenn sie trotz weltumspannender Realitätsschocks partout nicht weichen will und nach wie vor in die Seele wie in ein weites Rad hineingreift? Nichts mit sich anzufangen wissen: Ist das nicht geradezu ein Merkmal jeglicher Individuation? "Es ist langweilig, sagt Duke, lass uns was spielen."

So beginnt fast jedes Kapitel in dem Roman von Tina Uebel. Er handelt von den fortgesetzten Versuchen zweier Männer Ende Zwanzig, etwas "Wirkliches zu machen", etwas, "wovon wir behaupten, es sei aufregend", am besten: "Spaß, Abenteuer und wirklich fetzige Sachen". Das ist leichter gesagt als getan. Denn Duke und der Ich-Erzähler sind längst auf Distanz zu ihrer Hamburger Umwelt gegangen. Sie lassen nichts an sich heran, lästern über alles ab und folgen damit einem Coolness-Diktat, das den Verhaltenskodex junger Großstädter seit über hundert Jahren bestimmt: Affektregulierung und ein Schuss Geistesaristokratie, um sich nicht vom angepassten Mainstream vereinnahmen zu lassen.

Zunächst stehen die handelsüblichen Zerstreuungen auf dem Programm. Die beiden betrinken sich in unterschiedlichen Kneipen und Clubs, probieren Drogen aus, provozieren eine Schlägerei und klauen auch mal einen Kaufhaus-Computer. Duke gibt den zynischen Rebell des Gespanns, während der etwas bravere Ich-Erzähler auf die Bremse tritt, wenn's allzu suizidal wird. Damit überhaupt ein wenig Spannung aufkommt, stellen sie sich immer wieder als Helden fiktiver Szenarien vor. "Krieg der Sterne", "Casablanca" oder "Moby Dick" geben den Rahmen ab für Allmachts- und Fluchtphantasien. Doch das Leiden an der öden, "unattraktiven" Wirklichkeit können diese Gedankenspiele - wie zwei Stunden im Kino - nur temporär lindern.

Ein Jahr umfassen diese Episoden auf dem Boulevard of Broken Dreams. Das Ende der stellenweise sehr amüsanten und schrittweise eskalierenden Desillusionssuada ist erahnbar tragisch. Auf der verzweifelten Suche nach dem Echten besorgt sich Duke einen Revolver. Inzwischen hat sich auch die Freundschaft der beiden Sozialzombies, einziger Lichtblick in der "Servicewüste Deutschland", merklich abgekühlt. Und einen durch und durch Enttäuschten wie Duke darf man mit einer geladenen Waffe nicht allein lassen. "Lass uns spielen, dass ich nicht da bin, sagt Duke. Lass uns spielen, du wirfst Erde in mein Grab." Was der Ich-Erzähler dann auch macht. Spiel und Ernst haben sich verselbständigt.

Tina Uebel beschreibt ein fundamentales Dilemma: Wer Gefühle konsequent von sich weist und nur noch Attitüden pflegt, der hat sich irgendwann so weit von der Welt entfernt, dass er das Wirkliche kaum mehr zu schätzen weiß - sollte es ihm doch noch über den Weg laufen - und steht sich letztlich selbst im Weg. Sie porträtiert eine Altersgruppe, die an Douglas Couplands "Generation X" erinnert. Für den Neuen Markt zu alt und für "Kinder und Zweitwagen" zu jung sind ihre Bohemiens stecken geblieben zwischen dem Wunsch, jung zu sein, und der Erkenntnis, alt zu werden.

Uebel veranstaltet den Hamburger Poetry Slam und beteiligt sich an der Literaturvereinigung MACHT e.V.. Mit ihrer musikalischen, am Hip-Hop orientierten Sprache hat sie einen unverwechselbaren Ton gefunden: Mitreißend, temporeich und zugleich abgeklärt liest sich der Roman wie ein immer aufs Neue variierter Soundtrack, eine Endlosspirale, die der hermetischen Erlebniswelt der Figuren entspricht.

Die wenigen Momente der Nähe, in denen der posenhafte Panzer der Protagonisten brüchig wird, sind die besten Stellen dieses Debüts: Wenn Duke Weihnachten feiert mit Tannenbaum, Händel und allem, was dazugehört, macht er seiner Freundin Zoe einen Heiratsantrag. Im Gegensatz zu ihr scheint er das gar nicht als ironisch gebrochen zu empfinden. "Er guckt ernst. Zoe guckt entnervt." Also doch keine Popliteratur? Ja, denn Tina Uebel hat nicht nur coole Oberfläche, sondern gedankliche Schärfe zu bieten. Vielleicht: Hip-Hopliteratur.

© Thomas Kastura



Die Rezension erschien unter dem Titel "Aus einer hermetischen Erlebniswelt" im Fränkischen Tag vom 6.7.2002.

Tina Uebel: Ich bin Duke. Roman.
Berlin: Berliner Taschenbuch Verlag 2002. 216 Seiten. 8,90 €


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