Das
ändert sich abrupt, als seine ehemalige Flamme Alice vor der Tür
steht und ihm eröffnet, dass sie eine gemeinsame Tochter haben.
Nancy ist süße Dreizehn und will ihren totgeschwiegenen Papa
endlich kennenlernen – worauf sich Papa am Riemen reißt
und sein Leben Schritt für Schritt auf die Reihe kriegt. Indem
er Verantwortung für seine pubertierende Tochter übernimmt,
findet er zu sich selbst. Die Liebe sprengt den Schutzpanzer des Bürgerschrecks
und macht ihn – warum nicht? – zu einem besseren Menschen,
der Nancy vor dem Absturz bewahrt.
"Teen Spirit" ist ein heiterer Entwicklungsroman
und zugleich eine hellsichtige Sozialkritik. Ein wenig erinnert Bruno
an Virginie Despentes selbst. Auch sie hat ihre wilden Tage hinter sich.
Ihr Skandalroman Fick
mich
, 2000 von der Autorin verfilmt, machte die Sexbeichte wieder
hoffähig und war der Vorläufer einer überaus erfolgreichen
Bekenntnisliteratur, die von Michel Houellebecq bis Catherine Millet
reicht. Prostitution, Drogen und Gewalt spielten auch in dem Thriller
Die
Unberührte
(1999) tragende Rollen. Ihre subtile Zwillingsgeschichte
Pauline
und Claudine
wies sie endgültig als Erzählerin von Rang aus.
Mit "Teen Spirit" vollzieht sie nun eine
geglückte Wendung zur Gesellschaftskomödie. Brunos Bildungsweg
hält einer Generation den Spiegel vor, die es sich gemütlich
gemacht hat unter einem fatalistischen Glassturz und vor lauter Selbstmitleid
nicht vom Fleck kommt. Mit ihrer humanistischen Botschaft wandelt Despentes
an der Grenze zum Kitsch, aber durch bissige Figurenzeichnung und schonungslose
Innensicht hält sie stets die Balance. "Am Ende kam dann doch
immer alles gut hin." Man glaubt es gern.
© Thomas Kastura
Die Rezension erschien unter dem Titel "Papa war mal Punk"
im Rheinischen Merkur vom 10.7.2003
Virginie Despentes: Teen Spirit.
Aus dem Französ. von Kerstin Krolak.
Reinbek b. Hamburg: Rowohlt 2003. 158 Seiten. 12 €
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